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SP-Exkursion nach Hiroshima und Okayama


© Stieglitz/DAAD

Vom 14. bis 17. Mai reisten die Stipendiatinnen und Stipendiaten unseres „Sprache und Praxis in Japan“ (SP) – Programms durch Hiroshima und Okayama, wo sie japanische Unternehmen und Betriebe besuchten. SP-Stipendiat Stephan Gulba berichtet von der eindrücklichen Exkursion.

Montag (14.5.)

Mit gewohnter Pünktlichkeit und keine 20 Sekunden zu früh starteten wir mit dem Shinkansen am Montagmorgen unsere zweite Studienfahrt. Nachdem wir Ende des letzten Jahres Niigata erkunden durften, ging es diesmal in den Süden Honshus, wo uns in der Gegend um Okayama, Fukuyama und Hiroshima neben einer Vielzahl spannender Unternehmen wieder diverse Einblicke in die japanische Kultur erwarteten.

Unser erster Halt führte uns nach Okayama und dort zunächst zum Sitz von Teijin Nakashima Medical. Hervorgegangen aus einem auf die Anfertigung von Propellern spezialisierten Unternehmen, hat sich Teijin Nakashima Medical mittlerweile zum Marktführer im asiatischen Raum für die Herstellung von künstlichen Gelenken entwickelt. Wir erhielten einen Überblick über die Geschichte des Unternehmens sowie deren Produktkategorien und konnten dann noch den Herstellungsprozess von Nahem beobachten. Besonderes Highlight war, dass mit Frau Dr. Ilona Hoffmann eine ehemalige SP-Stipendiatin die Führung mitgestaltete. Sie wusste nicht nur über Teijin Nakashima Medical zu berichten, sondern beleuchtete in inspirierender Weise auch ihren Weg von ihrem damaligen Praktikum im Unternehmen bis zu ihrem jetzigen Berufsleben.

Anschließend ging es weiter nach Osafune, einer Gegend, die berühmt für die Herstellung traditioneller japanischer Schwerter ist. Eine besondere Ehre war es, den Schwertschmiedemeister Herrn Ueta besuchen zu dürfen, der zu den wenigen Schwertschmieden in Japan gehört, die noch hauptberuflich von ihrer Arbeit leben. Sein Feuer, die japanische Schwertschmiedetradition zu bewahren, konnten wir in jedem Aspekt seiner Arbeit spüren. Spezielles Augenmerk legt Meister Ueta dabei auf die Auswahl und Erforschung der Metalle, die er verwendet und so zur einzigartigen Grundlage für einen hochkomplexen Fertigungskomplex werden. Kein Wunder also, dass man für Schwerter und Messer aus seiner Schmiede mit einer Wartezeit von zwei Jahren rechnen muss.

© DAAD/Stieglitz/Rayss

Den Abend ließen wir in einem Ryokan in Kurashiki ausklingen. Der Ort Kurashiki ist für sein aus der Edo-Zeit stammendes, exzellent erhaltenes Stadtbild bekannt. In der historischen Umgebung und nach einem Abendessen mit Blick auf den hoteleigenen japanischen Garten fühlten wir uns beim anschließenden Onsen-Besuch beinahe wie in einem Samurai-Film.

Dienstag (15.5.)

Am nächsten Tag ging es weiter zu Yasda Precision Tools, einem Unternehmen, das auf die Herstellung von Werkzeugmaschinen spezialisiert ist. Da diese Werkzeugmaschinen quasi kleine Fabriken zur Anfertigung verschiedener Bauteile sind, war es hochinteressant, den „Mutter“-Maschinen dabei zuzuschauen, wie sie am Ende die diversen Produkte aus dem Hause Yasda hervorbringen. Dabei benutzt zum einen Yasda selbst seine eigenen Werkzeugmaschinen. Aber auch viele andere berühmte internationale Unternehmen bis hin zu Formel 1-Rennställen bedienen sich der Werkzeugmaschinen von Yasda, dessen Unternehmensphilosophie das Streben nach höchster Qualität ist.

Danach setzten wir unsere Reise beim Stahlwerk der JFE Steel Corporation in Fukuyama fort, dem größten Stahlwerk Japans. Beeindruckend war allein schon die schiere Größe des Werks, dessen Fläche nicht weniger als 30 Disney-Ländern entspricht. Wir erhielten eine Einführung in den Herstellungsprozess und begaben uns dann auf eine Busreise durch diese gewaltige Anlage entlang der verschiedenen Stationen vom Rohprodukt bis zum verpackungsbereiten Stahl. Mit Sicherheitshelm und Handschuhen ausgerüstet durften wir auch eines der Walzwerke besichtigen, wo wir im Schweiße unseres Angesichts (bei der Verarbeitung ist der Stahl zunächst um die 1000 Grad heiß) dabei zuschauten, wie aus einem massiven Stahlblock eine etwa einen Kilometer lange Stahlrolle wird.

Mittwoch (16.5.)

Den Mittwochvormittag verbrachten wir in den waldigeren Regionen Fukuyamas im malerisch gelegenen Werk von Kaihara Denim. Kaihara Denim, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, stellt dem japanischen sowie internationalen Markt qualitativ hochwertige Stoffe zur Jeansherstellung zur Verfügung. Wir konnten im Werk dabei zusehen, wie aus stark komprimierten Baumwollpacken letztlich der uns allen bekannte Jeansstoff wird. An verschiedenen Stationen konnten wir die Zwischenprodukte sogar betasten, so dass wir einen äußerst plastischen Eindruck vom Herstellungsprozess erhielten. Am Ende wurden uns noch diverse aktuelle Produktinnovationen von Kaihara Denim präsentiert, wie neue Stretch-Stoffe oder Kollaborationen mit anderen Unternehmen aus diversen Branchen. So erlebten wir, dass ein moderner Stoffhersteller weit mehr ist als eine Fabrik voller Maschinen zur Stofferzeugung.

Am Nachmittag besichtigten wir die Fujii Koto Seisakusho, einen Handwerksbetrieb, in dem Kotos, ein der Zither ähnliches, traditionell japanisches Saiteninstrument, hergestellt werden. In Arbeitsteilung entstehen dort aus rohen Paulownien-Blöcken kunsthandwerkliche Kleinodien , welche allein schon beim Anschauen einen ästhetischen Genuss bieten. Wir durften uns beim eigenhändigen Schnitzen des Rumpfes und beim Bespielen des fertigen Produkts ausprobieren. Abschließend wurde uns noch gezeigt, wie beim Abflammen des Korpus die typische dunkle Farbe des Instruments entsteht.

Am Abend konnten wir in Hiroshima beim Kagura, einer traditionellen Tanzdarbietung, in die japanische Kultur eintauchen.

Donnerstag (17.5.)

Den Abschluss unserer Reise bildete die Besichtigung des Mazda-Werkes in Hiroshima. Dort lernten wir nicht nur einiges über die Geschichte und Designphilosophie von Mazda, sondern konnten über eine Galerie im Inneren der Fabrik beobachten, wie eine moderne Autofabrik funktioniert und wie die einzelnen Produktionsschritte ineinandergreifen.

Nach diesen vier ereignisreichen Tagen konnten wir dann um viele Eindrücke bereichert den Heimweg nach Tokyo antreten. Es war wieder einmal faszinierend zu sehen, wie in Japan Tradition und Moderne verbunden sind. Mit dem Süden Honshus eine von Tokio entfernte Region Japans zu erleben half dabei auch, unser Bild des Landes weiter abzurunden und zu verfeinern.

Unser herzlicher Dank gilt all den Unternehmen, die uns so freundlich und kompetent aufgenommen haben und uns neben großer Expertise auch ganz besondere Gastfreundlichkeit zu Teil werden ließen. Dem DAAD, insbesondere Frau Yuko Kawamura, danken wir für die Organisation der Reise. Auch bedanken wir uns bei Frau Yuko Kawamura und Frau Dr. Manuela Sato-Prinz für die Betreuung während der Fahrt.

Bericht: Stephan Gulba (SP Japan – Stipendiat)

Zum Originalbeitrag des DAAD Tokio.